KI im Klassenzimmer: Innovation und Menschlichkeit in der Bildung

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"We are excited to introduce ChatGPT to get users’ feedback and learn about its strengths and weaknesses. During the research preview, usage of ChatGPT is free. Try it now at chatgpt.com" (Open AI 2022). 

Der 30. November 2022 kann als Wendepunkt betrachtet werden. Historiker sprechen von einer Zäsur, wenn ein Ereignis eine klare Trennlinie zwischen Vergangenheit und Zukunft zieht und als Bezugspunkt für "davor" und "danach" dient. Solche Momente gehen mit tiefgreifenden Veränderungen einher, die vorher in dieser Form nicht existierten. In diesem Fall begann alles mit einer unscheinbaren Ankündigung auf der Website eines bis dahin kaum bekannten Unternehmens, das sich der Erforschung und Anwendung Künstlicher Intelligenz widmet (Dohnicht 2025). 

 

Die digitale Transformation war eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von ChatGPT. Der Fortschritt in der Mikroelektronik, wie ihn Gordon Moore 1965 beschrieb, ermöglichte eine exponentielle Leistungssteigerung der Computertechnologie. Diese führte dazu, dass Rechenkapazitäten, die früher ganze Räume füllten, heute auf winzigen Chips Platz finden. Mit der Digitalisierung wurde es möglich, große Datenmengen effizient zu speichern, zu verarbeiten und zu übertragen. Dadurch drangen digitale Technologien in alle Lebensbereiche vor und veränderten den Alltag grundlegend. Künstliche Intelligenz, wie ChatGPT, ist eine direkte Folge dieser Entwicklung, die Datenverarbeitung, Automatisierung und Vernetzung auf ein neues Niveau hebt. 

 

Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in den Schulunterricht stellt dabei einen zentralen Faktor für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Bildung dar. Die Digitalität, also die zunehmende Verschmelzung digitaler und analoger Lebenswelten, hat sich zu einem prägenden Megatrend entwickelt, der tiefgreifende Veränderungen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen bewirkt. KI bietet dabei sowohl immense Chancen als auch Herausforderungen, die es im Bildungssektor zu adressieren gilt. 

 

Chancen der KI im Schulunterricht

KI ermöglicht eine individuelle Förderung der Lernenden durch adaptive Lernsysteme, die den Lernfortschritt in Echtzeit analysieren und personalisierte Lerninhalte bereitstellen. Beispiele wie die Sprachlern-App Duolingo zeigen, wie KI gezielte Unterstützung bieten kann. Auch Sprachassistenten, wie Google Assistant und Alexa können im Unterricht für Sprachübungen oder Recherchen genutzt werden. Übersetzungstools, wie DeepL und Google Translate können ebenfalls im Fremdsprachenunterricht oder für Schüler*innen mit Sprachbarrieren eingesetzt werden. 

Zudem kann KI Lehrkräfte bei administrativen Aufgaben entlasten, etwa durch die automatische Auswertung von Tests oder die Analyse von Lernverläufen. Dies schafft Raum für eine stärkere Fokussierung auf pädagogische und zwischenmenschliche Aspekte des Unterrichts. 

KI kann auch die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts – Kommunikation, Kreativität, kritisches Denken und Kooperation – fördern. So unterstützen KI-gestützte Tools wie Sprachassistenten oder Chatbots die Kommunikation, während Designprogramme wie Canva kreative Prozesse anregen. Gleichzeitig müssen jedoch die Grenzen von KI berücksichtigt werden, insbesondere in Bezug auf die emotionale Tiefe und soziale Intelligenz, die menschliche Interaktionen auszeichnen. 

 

Herausforderungen der KI im Bildungskontext

Trotz ihrer Potenziale birgt KI auch Risiken. Eine zentrale Herausforderung ist die ethische Dimension: Algorithmen können diskriminierende oder verzerrte Ergebnisse liefern, wenn sie nicht sorgfältig entwickelt und überwacht werden. Zudem besteht die Gefahr, dass soziale Ungleichheiten verstärkt werden, wenn der Zugang zu KI-Technologien ungleich verteilt ist. Dies betrifft insbesondere benachteiligte Regionen mit unzureichender digitaler Infrastruktur. 

Ein weiteres Problem ist der Datenschutz. Da KI-Systeme auf großen Datenmengen basieren, müssen transparente und sichere Datenverarbeitungsprozesse gewährleistet werden. Die Europäische Union hat hier mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der KI-Verordnung wichtige Rahmenbedingungen geschaffen. Dennoch bleibt das Spannungsfeld zwischen Datennutzung und Privatsphäre eine Herausforderung. 

Auch die ökologische Nachhaltigkeitvon KI-Systemen wird oft vernachlässigt. Der hohe Energiebedarf von Rechenzentren und KI-Modellen trägt zur Umweltbelastung bei, was eine stärkere Berücksichtigung ökologischer Ziele bei der Entwicklung und Nutzung von KI erfordert. 

 

Perspektiven für eine zukunftsfähige Bildung

Für eine nachhaltige Integration von KI in den Schulunterricht ist eine umfassende Bildungsstrategie erforderlich. Diese sollte nicht nur den Ausbau technischer Infrastrukturen, sondern auch die Fortbildung von Lehrkräften umfassen. Lehrkräfte müssen befähigt werden, KI-Systeme kompetent zu nutzen und gleichzeitig ihre Schüler*innen im kritischen Umgang mit KI zu schulen. Dabei geht es nicht nur um technische Kompetenzen, sondern auch um ethische Reflexion und die Vermittlung von Medienkompetenz. 

Schüler*innen sollten als reflektierte Akteure in einer digitalen Gesellschaft befähigt werden. Dies beinhaltet die Fähigkeit, KI-Systeme zu verstehen, ihre Grenzen zu erkennen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt kritisch zu hinterfragen. Projekte wie „Moral Machine“, bei denen ethische Dilemmata von KI diskutiert werden, können hierbei wertvolle Impulse liefern. 

 

Die Rolle der Lehrkräfte

Lehrkräfte nehmen im digitalen Wandel eine zentrale Rolle ein. Sie sind nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Moderatoren und Begleiter im Umgang mit digitalen Technologien. KI sollte dabei als unterstützendes Werkzeug betrachtet werden, das die pädagogische Arbeit ergänzt, ohne die menschliche Interaktion zu ersetzen. Die direkte Beziehung zwischen Lehrkräften und Lernenden bleibt unverzichtbar, da sie emotionale und soziale Kompetenzen fördert, die KI nicht ersetzen kann (Worek 2025).  

 

Digitale Resilienz stärken: Kinder im sicheren Umgang mit Social Media und Künstlicher Intelligenz begleiten

In einer zunehmend digitalisierten Welt sind Kinder und Jugendliche früh mit sozialen Medien und KI-Anwendungen konfrontiert – oft, bevor sie deren Chancen und Risiken angemessen einordnen können. Die Schule kommt daher ihrer pädagogischen Verantwortung nach, wenn sie digitale Kompetenzen nicht nur vermittelt, sondern auch zur reflektierten Mediennutzung befähigt. 

Ein zentrales Element ist die Förderung digitaler Selbstsicherheit: Kinder sollen lernen, persönliche Daten wie Adresse oder E-Mail-Adresse nicht unbedacht preiszugeben. Auch scheinbar banale Anwendungen wie das Drucken aus dem Internet oder der Umgang mit generierten Texten und Bildern (z. B. durch KI) bieten Gelegenheiten zur Thematisierung von Urheberrecht, Quellenkritik und Datenverantwortung. 

Gleichzeitig gilt es, Schüler*innen für die wachsende Präsenz von Falschinformationen – sogenannten „Fakes“ – zu sensibilisieren. Dabei helfen niederschwellige Strategien wie das gemeinsame Überprüfen von Quellen, das Erkennen manipulierter Bilder oder das kritische Hinterfragen von Social-Media-Inhalten. Lehrkräfte können zudem altersgerecht vermitteln, wie KI funktioniert, was sie leisten kann – und wo ihre Grenzen liegen. 

Ein sicherer Umgang mit digitalen Medien ist kein Nebenprodukt des Technikgebrauchs, sondern ein zentrales Bildungsziel. Wer als Lehrkraft im Vorbereitungsdienst heute souverän Medienkompetenz fördert, trägt aktiv dazu bei, digitale Resilienz als Zukunftskompetenz zu verankern. 

 

Handlungsempfehlungen der KMK

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat im Oktober 2024 Handlungsempfehlungen zum Umgang mit KI in der Bildung veröffentlicht. Diese betonen die Notwendigkeit einer kritisch-reflektierten Nutzung von KI, die sowohl technische als auch ethische Aspekte berücksichtigt. Die Empfehlungen umfassen: 

  1. Die Förderung von Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen durch KI-gestützte Lernmaterialien. 

  1. Die Anpassung der Prüfungskultur, um überfachliche Kompetenzen wie Kreativität und kritisches Denken stärker zu berücksichtigen. 

  1. Die kontinuierliche Professionalisierung von Lehrkräften im Umgang mit KI. 

  1. Die Sicherstellung von Datenschutz und Chancengerechtigkeit beim Einsatz von KI. 

 

Fazit

KI hat das Potenzial, die Bildung zu revolutionieren, indem sie Lernprozesse individualisiert, Lehrkräfte entlastet und neue Kompetenzen fördert. Gleichzeitig müssen ethische, soziale und ökologische Herausforderungen adressiert werden, um eine chancengerechte und nachhaltige Bildung zu gewährleisten. Eine erfolgreiche Integration von KI erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Pädagogik, Technologieentwicklung und Politik. Nur so kann KI als Instrument für eine zukunftsfähige Bildung genutzt werden, die humanistische Werte bewahrt und gesellschaftliche Teilhabe fördert. 

Quellen

Dohnicht, J. (2025). Disruptive Phänomene der digitalen Transformation als Herausforderung für Schule und Lehrkräftebildung. In: Worek, D. / Vogler, H.-J. (2025): Künstliche Intelligenz (KI) im Schulunterricht – Chancen und Herausforderungen. Seminar. bak. wbv Heft 02/2025. 

 

Kultusministerkonferenz (2024): Handlungsempfehlung für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen. 

 

Moore, G. E. (1965). Cramming More Components onto Integrated Circuits. In: Electronics 38 (8) S.114-117. (Reprint: Proceedings of the IEEE, VOL. 86, NO. 1, JANUARY 1998, S. 83-85.) https://www.cs.utexas.edu/~fussell/courses/cs352h/papers/moore.pdf (12.2.2025.)  

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