#Lernstörung #Lernen

Lernstörungen als Herausforderung - Hilferuf aus dem Lehrerzimmer

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(C) Neirfy / shutterstock

"Der Max bringt mich um den Verstand. Er bekommt schon wieder eine 5. Wenn er doch endlich mal seine Aufgaben erledigen würde!" Die Kollegin steht in der großen Pause an der  Kaffeemaschine und ist verzweifelt. "Er will einfach nicht. Er muss jetzt einfach zusätzliche Übungsaufgaben machen, bis ihm die Ohren rauchen."

Diese Ratlosigkeit ist gar nicht so selten. Kolleg*innen im Lehrerzimmer wissen nicht weiter, weil sie Kinder unterrichten, die scheinbar nicht lernen wollen.

Faul oder nicht faul, das ist hier die Frage …

Du musst schon genau hinschauen, um zu entdecken, warum ein Kind nicht lernt. Manchmal entwickeln Kinder bereits im Grundschulalter Strategien, um Lernschwierigkeiten zu vertuschen. Sie lernen auswendig, statt zu lesen, rechnen mit den Fingern und Zehen, um vermeintlich mithalten zu können. Manchmal gelingt es ihnen für eine lange Zeit, ihre Schwierigkeiten zu verbergen. Nicht immer hat das Kind eine umfassende Lernstörung. Bei Schwierigkeiten im mathematischen Bereich spricht man von einer Rechenschwäche oder Dyskalkulie. Bei Schwierigkeiten im Bereich des Lesens und Schreibens liegt möglicherweise eine Legasthenie vor. 

Stell Dir vor …

… Du trägst Wollhandschuhe. Fäustlinge. Jetzt bekommst Du die Aufgabe in kurzer Zeit einen dünnen Faden durch ein sehr kleines Nadelöhr zu fädeln. Alle anderen um Dich herum tragen keine Handschuhe. Natürlich – Du brauchst wesentlich mehr Zeit und Glück als die anderen. Natürlich strengt Dich das Einfädeln um ein Vielfaches mehr an als die anderen. Dabei willst Du nichts anderes, als genauso erfolgreich zu sein, wie die anderen. 

Denke nun an die Kollegin zurück, die vor der Kaffeemaschine stehend klagte, dass all die Übungsaufgaben nichts genützt. Hätte es Dir in der beschriebenen Situation mit der Nadel und dem Faden geholfen, wenn Du mit Deinen Handschuhen zusätzliche Fäden hättest einfädeln sollen? Wäre Dir das Einfädeln dann irgendwann leichter gefallen? Vielleicht würdest Du eine hilfreiche Strategie, die es Dir etwas einfacher macht, entwickeln. Sinnvoller wäre es jedoch, jemand würde Dir eine Nadel mit einem größeren Nadelöhr geben oder ein anderes Hilfsmittel geben. Im übertragenen Sinne waren vielleicht die zusätzlichen Übungsaufgaben einfach nicht das, was der Schüler gebraucht hat. Vielleicht hätte es ihm geholfen, wenn er grundsätzliche Hilfestellung und Erklärungen bekommen hätte. 

Stellst Du in Deinem Unterricht fest, dass ein Kind Schwierigkeiten hat, solltest Du Dir Unterstützung und Rat holen. Tausche Dich mit den Lehrkräften der Klasse aus. Bitte Förderschullehrkräfte um Unterstützung. Sie können eine mögliche Lernschwäche diagnostizieren und einschätzen, ob ein sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf sinnvoll ist. 

Konsequenzen für den Unterricht

Schüler*innen mit Lernschwierigkeiten lernen anders als andere Kinder. Sie finden leichter Zugang zu Lerninhalten, wenn diese sich mit ihrer Lebensumwelt verknüpfen lassen. Sie benötigen mehr Zeit, ihre Lernphasen sind kürzer. Sie brauchen häufiger Erholungsphasen. Außerdem lernen diese Kinder eher durch konkrete Erfahrungen und den handelnden Umgang mit dem Lerngegenstand. Aufgaben mit klaren Strukturen, überschaubaren Zielen und Lösungswegen fördern das Lernen. Zur Festigung brauchen sie überdurchschnittlich viel Übung und mehr Wiederholungen. Ohne die individuelle Unterstützung durch eine entsprechende Aufbereitung der Lerninhalte kommen diese Kinder nicht voran. Im Gegenteil, es verfestigt sich die Überzeugung, dass sie nichts können und schlechter als die andern sind. Womöglich resignieren sie und kompensieren dies mit abweichendem Verhalten. 

Lern- und Lehrfreude erhalten

Heterogene Lerngruppen sind eine enorme Herausforderung, der Du in Deinem beruflichen Alltag immer wieder begegnen wirst. In wenigen Fällen verläuft der Unterricht ohne Störungen. Du solltest Dir bewusst machen, dass Störungen durch Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten im Lernen, in der Sprache oder im Verhalten zum Alltag in der Schule gehören. Eine entsprechende Haltung, Dein bewusster Umgang mit diesen Störungen durch eine angemessene Unterrichtsplanung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Du die Lernfreude der Kinder erhältst und förderst. Letztendlich profitieren alle von einem Unterricht, der sich an den schwächeren orientiert und die leistungsfähigeren Schüler*innen durch entsprechende Differenzierungsmaßnahmen fordert. Und zu guter Letzt erhält guter Unterricht auch Deine Freude an der Lehrtätigkeit. 

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