Offener Unterricht: Selbstbestimmtes und individuelles Lernen fördern

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Offener Unterricht: Selbstbestimmtes und individuelles Lernen fördern

Statt vor der Klasse zu stehen und die Unterrichtsinhalte zu vermitteln, nehmen sich Lehrkräfte im offenen Unterricht zurück und lassen die Schüler*innen selbst aktiv werden. Methoden des offenen Unterrichts haben zum Ziel, Lernerfolge mithilfe eines individualisierten Lernprozesses zu vergrößern und Fähigkeiten wie Selbstständigkeit und Problemlösungskompetenz zu stärken. Hier erfährst du, wodurch sich offener Unterricht noch auszeichnet und mit welchen offenen Unterrichtsformen du deinen Unterricht ergänzen kannst.

Offener Unterricht: Selbstbestimmtes und individuelles Lernen fördern
Cottonbro studio / Pexels

Offener Unterricht stellt die Schüler*innen in den Mittelpunkt

Während der Frontalunterricht stark lehrerzentriert ist, ermöglicht offener Unterricht eine individualisierte und differenzierte Gestaltung des Lernprozesses. Insbesondere in heterogenen Lerngruppen kann mit offenen Unterrichtsformen besser auf die Bedürfnisse der Schüler*innen eingegangen werden.

Ein zentrales Ziel des offenen Unterrichts ist die Förderung der Selbstständigkeit der Lernenden. Die Schüler*innen können den Lernprozess nach ihren Interessen selbst gestalten. Dadurch entwickeln sie nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern lernen auch, wie sie effektiv und eigenverantwortlich arbeiten können. Die Lehrkraft bewegt sich dabei eher im Hintergrund und nimmt eine moderierende Rolle ein.

Offener Unterricht funktioniert nur, wenn die Schüler*innen aus eigenem Antrieb mitmachen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Lehrkraft für die passenden Rahmenbedingungen sorgt. Je häufiger offene Unterrichtsformen geübt werden, desto besser können die Lernenden mit der größeren Eigenverantwortung umgehen.

Merkmale von offenem Unterricht

Offener Unterricht ist nicht durch eine spezifische Methode definiert, sondern stellt vielmehr ein Konzept des Lehrens und Lernens dar. Sein zentraler Ansatz ist es, den Schüler*innen mehr Verantwortung und Mitbestimmung im Lernprozess zu ermöglichen.

Die wesentlichen Merkmale von offenem Unterricht sind:

  • Selbstbestimmung der Schüler*innen: Die Lernenden gestalten ihren Lernprozess aktiv mit. Sie entscheiden eigenständig über Inhalte, Arbeitsformen, Sozialformen und ihr individuelles Lerntempo, basierend auf ihren eigenen Interessen.
  • Lehrkraft als Lernbegleitung: Die Lehrkraft ist nicht länger Wissensvermittler*in, sondern unterstützende Begleitung. Sie moderiert und berät die Schüler*innen, damit sie ihre Selbstorganisation verbessern und ihr Potenzial voll ausschöpfen können.
  • Eigenverantwortliches Lernen: Die Schüler*innen erarbeiten sich eigenständig die Lerninhalte, lösen Probleme und entwickeln eigene Strategien, um ihre Lernziele zu erreichen. Dies fördert ihr kritisches Denken und ihre Problemlösungsfähigkeit.
  • Methodenvielfalt: Offener Unterricht setzt auf eine große Bandbreite an differenzierten Materialien, Lernmethoden und Sozialformen. Dadurch werden die individuellen Lernvoraussetzungen und -bedürfnisse der Schüler*innen gezielt berücksichtigt und gefördert.
Offener Unterricht: Selbstbestimmtes und individuelles Lernen fördern
Abbildung 1: Wichtige Merkmale von offenem Unterricht (eigene Darstellung)

Lernprozess für offenen Unterricht strukturieren

Offener Unterricht erfordert eine sorgfältige Planung, Vorbereitung und Materialauswahl. Der Fokus liegt dabei auf der Strukturierung der Lernumgebung, um eigenständiges Lernen zu erleichtern. Die konkrete Umsetzung kann je nach Methode variieren. Dennoch gibt es ein paar Punkte, die du beachten solltest.

Classroom Management

Da offener Unterricht mehr Eigenverantwortung erfordert, kann das Classroom Management herausfordernder sein. Klare Regeln und Routinen helfen jedoch dabei, den Ablauf zu strukturieren und eine produktive Lernumgebung zu schaffen. Dazu zählen beispielsweise Handzeichen, wenn man Hilfe braucht oder es zu laut ist. Darüber hinaus solltet ihr Regeln für den Umgang mit Materialien sowie für Gespräche in Gruppen- oder Partnerarbeit festlegen.

Klassenraumgestaltung

Die Gestaltung des Klassenraums erleichtert das eigenständige Arbeiten. Lernmaterialien sollten gut zugänglich sein, und verschiedene Arbeitsbereiche (z. B. Einzelarbeit, Gruppenarbeit, Präsentationsflächen) sollten klar definiert werden. Wenn es Stationen gibt, sollten sie einen gewissen Abstand zueinander haben, damit sich die Schüler*innen nicht gegenseitig stören.

Unser Tipp: Wenn du nur eine Unterrichtsstunde mit einer offenen Unterrichtsform planst, solltest du den Raum am besten schon im Voraus vorbereiten. Bezieh deine Schüler*innen beim Aufräumen mit ein.

Klare Anweisungen für den offenen Unterricht

Vor Beginn der offenen Arbeitsphase solltest du den Ablauf detailliert erklären. Wichtige Punkte sind dabei:

  • Gibt es verpflichtende Aufgaben?
  • Wie viel Zeit steht zur Verfügung (am besten visualisieren z. B. mit einem Timer oder einer Sanduhr)?
  • Wie lassen sich unterschiedliche Schwierigkeitsstufen erkennen?
  • Wo befinden sich Lösungen zur Selbstkontrolle?
  • Warum bringt Schummeln nichts?
  • An wen können sich Schüler*innen wenden, wenn sie Hilfe benötigen (z. B. zuerst Absprachen untereinander und erst danach an Lehrkraft wenden)?

Bereitstellung von Lösungen und Hilfsmitteln

Um eigenverantwortliches Arbeiten zu unterstützen, sollten Hilfsmaterialien bereitgestellt werden. So erhalten die Schüler*innen Tipps, um leichter allein eine Lösung zu finden.

Zudem sind die Schüler*innen im offenen Unterricht dafür zuständig, ihre Ergebnisse zu kontrollieren. Dazu kannst du Musterlösungen beispielsweise auf der Rückseite von Arbeitsaufträgen vermerken.

Arbeitsbögen zur Selbstreflexion und Dokumentation

Mithilfe eines Arbeitsbogens können die Schüler*innen ihren Lernprozess dokumentieren. Zum einen können sie darauf festhalten, welche Aufgaben sie gelöst haben und wie sie dabei vorgegangen sind. Zum anderen können sie selbst einschätzen, welche Fähigkeiten sie dadurch erworben haben. Das macht nicht nur ihre Fortschritte sichtbar, sondern fördert auch ihre Reflexion und Motivation.

Gemeinsame Sicherungsphase

Am Ende des offenen Unterrichts sollte es eine gemeinsame Sicherungsphase geben. Sie bietet den Schüler*innen die Möglichkeit, ihr erworbenes Wissen mit den anderen zu teilen und durch den gemeinsamen Austausch zu vertiefen. Dies stärkt nicht nur die nachhaltige Verankerung des Wissens, sondern auch die Kommunikationsfähigkeit.

6 Beispiele für offene Unterrichtsformen

Es gibt viele Möglichkeiten, wie du deinen Unterricht offener gestalten kannst. Bei der Auswahl der offenen Unterrichtsform solltest du darauf achten, dass sie den Frontalunterricht sinnvoll ergänzt. Wir haben ein paar Beispiele für dich.

Stationenlernen

Beim Stationenlernen wird ein Unterrichtsthema in mehrere Teilaspekte gegliedert. Die Lehrkraft wählt die Materialien aus, entwickelt die Arbeitsaufträge und platziert diese an den jeweiligen Stationen im Raum. Zur Unterstützung der Selbstorganisation erhält jede*r zu Beginn einen Laufzettel, auf dem die bearbeiteten Stationen dokumentiert werden.

An den Stationen erwarten die Schüler*innen unterschiedliche Materialien und vielfältige Aufgaben, die an ihre unterschiedlichen Lernbedürfnisse angepasst sind. Sie können sich selbstständig zwischen den Stationen bewegen und in ihrem individuellen Tempo arbeiten.

Als Lehrkraft kannst du darüber entscheiden, wie offen du das Stationenlernen gestalten möchtest. Du kannst zum Beispiel durch die Auswahl des Materials und der Aufgaben auf unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen der Schüler*innen eingehen. Oder du legst fest, dass es einige Stationen gibt, die freiwillig bearbeitet werden können.

Freiarbeit

Im Rahmen der Freiarbeit entscheiden die Schüler*innen über das Thema, die Methode, den zeitlichen Rahmen, die Sozialform und den Einsatz der Lernmaterialien. Als Lehrkraft wählst du zuvor das passende Material für deine Klasse aus und stehst den Schüler*innen während der Freiarbeit beratend zur Seite.

Die Freiarbeit fördert nicht nur die Selbstständigkeit der Lernenden, sondern auch ihre Fähigkeit, eigene Interessen zu verfolgen und individuelle Lernstrategiestrategien zu entwickeln. Ähnlich wie beim Stationenlernen liegt es jedoch in deinen Händen, ob du beispielsweise das Thema inhaltlich einschränken möchtest.

Entdeckendes Lernen

Beim entdeckenden Lernen ist oft kreatives Denken gefragt. Entsprechend gut lässt es sich daher mit offenen Problemstellungen kombinieren. Entdeckendes Lernen funktioniert vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern. Die offene Unterrichtsform kann aber auch auf andere Fächer übertragen werden.

Die Lernenden erarbeiten sich dabei neue Erkenntnisse durch Experimente, Beobachtungen oder durch die Analyse von Texten und Multimedia-Materialien. Die Lehrkraft stellt ihnen passende Hilfsmittel zur Verfügung, regt Denkprozesse an und begleitet sie in ihrem Erkenntnisprozess, ohne jedoch direkt die Lösung vorzugeben.

Ziel dieser Methode ist es, die Neugierde der Schüler*innen zu wecken, sie zu motivieren und ihre Fähigkeit zur eigenständigen Problemlösung zu fördern.

Lernwerkstatt

Bei der Lernwerkstatt können die Schüler*innen – wie in einer echten Werkstatt – gleichzeitig an unterschiedlichen Aufträgen arbeiten und unterschiedlichen Interessen nachgehen. Diese offene Unterrichtsform zeichnet sich durch ein hohes Maß an Freiheit und Eigenverantwortung aus. Die Schüler*innen arbeiten an selbst gewählten Themen und entwickeln sich durch die intensive Auseinandersetzung zu Expert*innen.

Die Lehrkraft erstellt ein breites Angebot an Materialien und Aufgaben. Es sollte möglichst interdisziplinär ausgerichtet sein, um verschiedene Interessen der Lernenden zu berücksichtigen. Die Schüler*innen entscheiden selbst über ihr Arbeitstempo, die Sozialform und die Reihenfolge der Aufgaben.

Da die Lernwerkstatt oft über mehrere Wochen läuft, ist die Vorbereitung für die Lehrkraft aufwendig. Dennoch kann sie eine besonders nachhaltige Form des Lernens sein, da sie sowohl fachspezifische als auch überfachliche Kompetenzen fördert. Um die Offenheit etwas einzuschränken, kannst du den inhaltlichen Fokus beispielsweise auf das Unterrichtsthema lenken.

Lerntheke

Die Lerntheke ist eine flexible Form des offenen Unterrichts, die dem Stationenlernen ähnelt. Im Gegensatz zum Stationenlernen bauen die Aufgaben jedoch nicht zwingend aufeinander auf, sodass die Schüler*innen selbst entscheiden können, welche Aufgaben sie bearbeiten. Dabei steht ihnen eine große Auswahl an Aufgaben zur Verfügung, aus denen sie je nach Interesse und Niveau wählen können. Diese Unterrichtsform eignet sich besonders für die Einzelarbeit.

Wochenplan

Ein Wochenplan enthält von der Lehrkraft ausgewählte Pflicht- und Wahlaufgaben. Für die Bearbeitung haben die Lernenden eine Woche Zeit und können selbst über Tempo, Reihenfolge und Lernort entscheiden. Die Qualität und die Quantität des Ergebnisses richten sich an den Fähigkeiten der Schüler*innen aus, um individuelles Lernen zu ermöglichen.

Im Vergleich zu anderen offenen Unterrichtsformen gibt der Wochenplan den Lernenden eine klarere Struktur vor, ermöglicht aber dennoch eine individuelle Arbeitsweise und Priorisierung.

Ideen, wie du offene Unterrichtsformen im Schulalltag einbauen kannst

Offene Unterrichtsformen lassen sich flexibel in den Schulalltag integrieren, ohne den gesamten Unterricht umzustellen. Wir haben ein paar Ideen für dich.

  • Stationenlernen im Unterricht: Du kannst das Stationenlernen in einer Unterrichtsstunde einbinden, damit deine Schüler*innen Teilaspekte eines Themas eigenständig erarbeiten.
  • Freiwilliger Hausaufgabenkalender: Stelle deinen Schüler*innen unterschiedliche Aufgaben zur Auswahl, die sie über einen bestimmten Zeitraum eigenverantwortlich bearbeiten können. Am Ende des Zeitraums können sie dann die Ergebnisse einer ausgewählten Aufgabe präsentieren.
  • Lerntheke bei Leerlauf: Du kannst eine Lerntheke fest im Schulalltag verankern. Wenn jemand mit einer Aufgabe fertig ist, aber noch Zeit übrig ist, kann eine Aufgabe von der Lerntheke bearbeitet werden.
  • Feste Wochenstunde für Freiarbeit: Als Klassenleitung kannst du eine Unterrichtsstunde pro Woche der Freiarbeit widmen. In dieser Zeit können Schüler*innen selbstständig an einem Thema ihrer Wahl arbeiten.
  • Projektwoche: Die letzte Woche vor den Ferien ist eine ideale Gelegenheit, um offene Unterrichtsformen zu nutzen. Im Rahmen einer Projektwoche können die Schüler*innen interdisziplinär und vielleicht sogar klassenübergreifend arbeiten, um ihre Interessen zu verfolgen, ihre individuellen Stärken einzubringen und neue Fähigkeiten zu erlernen.

Fazit: Offener Unterricht als wertvolle Ergänzung zum Frontalunterricht

Egal ob Stationenlernen, eine feste Freiarbeitsstunde oder eine Projektwoche: Mithilfe von offenen Unterrichtsformen kannst du den Schulalltag abwechslungsreicher und schülerzentrierter gestalten. Sie fördern die Selbstständigkeit, die Eigenverantwortung und die Problemlösungskompetenz deiner Schüler*innen und ermöglichen ein individualisiertes Lernen. Dabei ersetzt offener Unterricht nicht den Frontalunterricht, sondern ergänzt ihn sinnvoll, indem er den Lernenden mehr Freiheit und Mitbestimmung einräumt.

Letztlich ist offener Unterricht eine wertvolle Bereicherung für den Unterricht, da er sowohl fachliche als auch überfachliche Kompetenzen stärkt und den Schüler*innen hilft, sich zu selbstbewussten und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu entwickeln. Mit einer durchdachten Planung und einer passenden Begleitung durch die Lehrkraft kann offener Unterricht eine nachhaltige und motivierende Lernkultur fördern.

FAQ zu offenem Unterricht

Was versteht man unter einer offenen Unterrichtsform?

Eine offene Unterrichtsform ermöglicht den Schüler*innen, Lernzeit, Lernort, Inhalte, Sozialform und Methode selbst zu bestimmen. Dabei steht die Eigenverantwortung im Mittelpunkt, während die Lehrkraft als unterstützende Begleitung agiert.

Welche Ziele hat offener Unterricht?

Offener Unterricht hat das Ziel, die Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und individuellen Lernprozesse der Schüler*innen zu fördern. Durch mehr Mitbestimmung in der Wahl von Themen, Methoden und Arbeitsformen entwickeln sie eigenständige Lernstrategien und stärken ihre Problemlösungsfähigkeit.

Quellen

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